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Alltag 2.0: Mache das Gewöhnliche zum Abenteuer

Alltag 2.0: Mache das Gewöhnliche zum Abenteuer

 

Hallo an alle, die wie ich das Schreiben nicht lassen können!

 

Heute werfen wir einen Blick hinter die Kulissen meiner Geschichten und ich beantworte Fragen, die mir bei Lesungen und in meinen Mails immer wieder gestellt werden.
Hast du das wirklich erlebt? War das wirklich so?
Und bevor jemand fragt: Nein, ich habe niemanden um die Ecke gebracht, zumindest nicht außerhalb meiner Krimis.

 

Ein oft gehörter oder gelesener Satz lautet:
Aus meinem Leben könnte man auch ein Buch machen.

 

Nun, genau das habe ich in meinem neuesten Roman Rheinkinder getan.
Dieses Buch ist so voller „wahrer Erinnerungen“ wie kein anderes zuvor. Meine Kindheit auf einem Küstenmotorschiff, das den Rhein auf und ab gefahren ist, bietet Stoff für viele interessante Geschichten. Aber trotz all der authentischen Erinnerungen und Erfahrungen ist der Roman absolut fiktiv.

Mein Leben als Buch? Ja, warum nicht. Es bietet einen Riesenvorteil. Ich weiß, worüber ich schreibe. Aber bitte mit einem kleinen Upgrade: nicht als dröge Biografie, sondern als packender Roman. Ich will die Leser nicht nur informieren, sondern in erster Linie unterhalten.

 

Mal ehrlich, wenn man den Autoren nicht kennt oder eine besondere Beziehung zum Textinhalt hat, zeigt kaum jemand Interesse an den Tagebüchern anderer. Biografien scheinen für die reserviert, die entweder Großartiges geleistet haben (dann lese ich sie auch), oder für die, die mehr Instagram-Follower als Spiegel-Selfies haben (nicht so mein Fall).

 

Für eine mitreißende Geschichte braucht es Würze und einen Hauch von Inszenierung.

 

Die Kunst der Inszenierung:

Ein einfaches Tagebuch ist so öde wie Toast ohne Butter. Nicht, weil nichts Aufregendes passiert. Sondern weil wir das Aufregende nicht in Szene setzen. Das Argument „Das war aber wirklich so!“ ist kein Argument. Die Magie liegt in der Kunst der Inszenierung. Jeder Gang zur Arbeit muss zur abenteuerlichen Mission, jede Tasse Kaffee zur ersehnten Energiequelle und jeder Nachbarschaftsbesuch zum schicksalhaften Aufeinandertreffen werden.
Du glaubst ja nicht, was mir passiert ist?
Kennst du Leute, die ihre Erzählungen so beginnen? Um dann von einer harmlosen Verkehrskontrolle in einer Art zu berichten, als hätten sie gerade eine aufregende Verfolgungsjagd hinter sich? Ich würde sagen, diese Leute sind auf dem richtigen Weg. 

 

Übertreiben scheint ein gutes Stichwort. Aber nicht falsch verstehen. Es soll nicht alles laut, schrill oder sogar unglaubwürdig werden. Im Gegenteil. Es muss lediglich jede Situation gründlich ausgeleuchtet werden auf ihre spannenden, komischen und emotionalen Momente.

 

In Rheinkinder lasse ich die drei Kinder ihren Alltag als einziges großes Abenteuer erleben. Es geht nicht nur um das Essen eines Butterbrotes oder das Fangen eines Fisches. Es geht um Herausforderungen, die gemeistert werden wollen. Die scheinbar gewöhnlichen Aspekte des Alltags werden zu Schlüsselmomenten, die das Schicksal der Charaktere beeinflussen. Diese Inszenierungen verleihen der Geschichte eine fesselnde Dynamik und lassen den Leser gespannt darauf sein, wie sich die Ereignisse entfalten.

 

Spannung:

Egal, worum es geht. Jede gute Geschichte braucht Spannung. Selbst der Kampf mit einer Spinne kann zum nervenaufreibenden Thriller werden. Überraschungen, Wendungen und Konflikte müssen unbedingt eingebaut werden. Wenn ich die Spinne sofort erwische, ist das blöd für das Tier und ziemlich unspektakulär für die Geschichte. Die ist dann nämlich zu Ende erzählt. Aber wenn die Spinne immer wieder abhaut, sich versteckt, mich anstarrt, als wüsste sie, dass ich eine Spinnenphobie habe und würde sich darüber lustig machen … Wenn ich Schnappatmung bekomme, mein kreideweißes Gesicht im Spiegel erspähe, erstarre, mich nicht mehr bewegen kann, obwohl ich weiß, dass gerade das Essen in der Küche überkocht …
Ich denke, es wird deutlich.

 

In den Rheinkindern habe ich aktiv mit Spannungselementen gearbeitet. Hier sind wir gar nicht so weit vom vorherigen Absatz entfernt. Alltagssituationen wirken unüberwindbar, Pläne lassen sich nicht umsetzen, Herausforderungen werden nicht gemeistert. Der Leser fiebert mit, ob die Helden die Aufgaben schaffen. Ein Trick besteht auch darin, nicht nur das Offensichtliche zu zeigen, sondern alle Sinne der Protagonisten einzubeziehen. Was sehen sie? Was hören, riechen, fühlen sie? Vielleicht sogar: Was schmecken sie? Diese detaillierte Sinneswahrnehmung macht die Situationen nicht nur lebendiger, sondern verstärkt auch die Spannung und den Nervenkitzel für die Leser. Durch eine dynamische Szene darf man beim Schreiben nicht eilen, man muss sich Zeit lassen.

 

Das Unbekannte

Niemand interessiert sich für das Leben eines Fremden, es sei denn, es birgt ein Rätsel. Wenn dein Job beim Finanzamt so aufregend ist wie eine Tüte Chips ohne Salz, dann erfinde etwas. Arbeite verdeckt, führe ein Doppelleben oder mache deine Steuererklärung zum Krimi. Lass deine Leser mit Fragen zurück, die sie lösen wollen.

 

In Rheinkinder habe ich bewusst das Element des Unbekannten eingebaut, um die Spannung zu steigern. Zwei Geheimnisse weben sich durch die Geschichte und lassen die Leser rätseln. Auf die Antwort zu Geheimnis eins (Was geschah mit Ben?) müssen die Leser lange warten, werden nur mit Häppchen versorgt. Bei der Antwort auf Geheimnis zwei (Was geschah mit Markus?) begleiten die Leser die Protagonistin auf dem fesselnden Lösungsweg. Bekommen zwischendurch Antworten, aber auch neue Fragen. Kurz: Erst am Ende darf alles erzählt sein!

 

Unterhaltung mit Mehrwert

Ein Text, der nur unterhält, ist auch nur das. Kurzweilig, aber vergessen, wenn der nächste Text kommt. Deine Geschichte sollte nicht nur unterhalten, sondern auch Mehrwert bieten. Teile dein Wissen, sei es aus dem täglichen Wahnsinn oder aus tiefgreifender Recherche. Hier ist es natürlich von Vorteil, wenn wir unser eigenes Leben als Vorlage nehmen. Wir wissen genau, wovon wir schreiben und können unsere Geschichte mit persönlichen Erfahrungen und Emotionen bereichern. Das schafft nicht nur Authentizität, sondern bietet auch seltene Einblicke in die Welt des Autors.

Aber Vorsicht, wir schreiben kein Sachbuch. Streue Fakten ein wie Konfetti auf einer Party, nicht wie ein Geschichtslehrer auf einem Vortrag. Bau nur die Teile ein, die essentiell für deine Geschichte sind. Ich weiß, das fällt schwer, wenn man noch so viel mehr weiß und es noch so viel mehr zu erzählen gibt. Aber da muss man sich einfach bremsen.

 

In meinem Roman Das Geheimnis von Palau versteckt sich der Mehrwert gleich in mehreren Bereichen. Die Leser erfahren etwas über die Geschichte Palaus, über das Leben des Malers Max Pechstein auf Palau und über das Tauchen. 
In Rheinkinder erfährt man hauptsächlich etwas über das Leben auf einem Küstenmotorschiff in den 60er Jahren. 

 

Deine Emotionen als Vorlage

Die Authentizität und Überzeugungskraft eines Textes steigt, je ehrlicher und nachvollziehbarer du Emotionen einbaust. Beim Schreiben frage ich mich: Welche vergleichbare Situation habe ich erlebt, wie habe ich mich dabei gefühlt und wie kann ich das treffend beschreiben. Dein Leben bietet erstklassige Recherchemöglichkeiten.

Deine Gefühle sind der Schlüssel zur überzeugenden Wirkung deiner Geschichte. Wenn mein Herz beim Schreiben einer Szene schneller schlägt, möchte ich, dass die Leser daran teilhaben.

 

In Das Geheimnis von Palau habe ich meine eigenen Emotionen eingeflochten, um die Intensität der Figuren zu verstärken. Ihre Kämpfe sind meine Kämpfe, auch wenn ich real nicht einen einzigen davon gefochten habe. Im Schreibmoment verkörpere ich die Heldin, den Antihelden, die Nebenfigur. Und ich versuche, das jeweils aktuelle Gefühl zu ergründen. Das kommt dann aufs Papier und verleiht der Geschichte somit emotionale Tiefe.
Genauso tauche ich in Rheinkinder in die kindliche Freude auf dem Küstenmotorschiff ein, um den Lesern eine gefühlvolle und nostalgische Reise zu bieten.

 

Fazit: Pimp your life, wenn du es zum Roman machen willst

Kurz gesagt, jeder hat eine Geschichte, die erzählt werden kann. Aber lieber als Roman, nicht als Biografie. Die Kunst besteht darin, Alltägliches in Außergewöhnliches zu verwandeln und Teile der Wahrheit durch eine Prise Fiktion zu ersetzen, wenn es der Dramatik dient. Es ist die Kreativität, die einer Geschichte Leben einhaucht, und sie von einer bloßen Abfolge von Ereignissen zu einem mitreißenden und unvergesslichen Erlebnis macht.